Ökumene in kurzen Hosen

21.06.24, 21:48
Ingo Lamberty

„Wer kann noch helfen, die Krippe aufzubauen?“ „Beim Pfarrfest bei Immanuel brauchen wir noch Verstärkung am Bierstand.“ „Und wir könnten beim Pfarrfest an Christ König noch Leute beim Aufbauen gebrauchen.“ Ja, richtig gelesen. Sätze, die schon mal am Rande eines Sporttrainings fallen. Denn praktische Ökumene findet in Longerich schon mal in kurzen Hosen statt.

Vor 40 Jahren, am 16. Oktober 1984, trafen sich in der Grundschule Altonaer Straße 15 teilweise übergewichtiger Männer, um gemeinsam Gymnastik zu machen. Besser gesagt: Sie wurden getroffen. Denn die eigentliche Idee für den Männerturnverein stammte von einer Frau, von Anne Dahm-Puchalla, damals Lehrerin an der katholischen Grundschule. Und sie hatte nicht nur bei ihrem Mann Reinhard ein paar Kilo zu viel entdeckt. „Den Männern tut es auch mal gut, sich zu bewegen“, sagte sie sich, informierte ihren Mann und nahm die Sache gemeinsam mit ihrer Schwester in die Hand. Sprach Väter aus ihrer Klasse an, Bekannte, Nachbarn. 

Die nahmen die Sache dann aber doch selbst in ihre Hand, suchten sich einen Sportstudenten als Trainer und schlüpften vereinsmäßig bei der DJK Köln-Nord unter. „Wir wollten nicht nur Fußball oder Volleyball spielen“, sagte Reinhard Dahm. Und einige sind tatsächlich seit 40 Jahren jeden Dienstag auf der Matte und am Barren dabei. Da waren die heute jüngsten Mitglieder noch nicht geboren. Der jüngste Aktive ist heute 34 Jahre und der älteste 86 Jahre alt.

Und immer wieder ist ein schönes Phänomen zu beobachten: Ein jüngerer möchte mitmachen und schmunzelt innerlich über die alten weißen Männer. Bis er auf der Matte liegt und beobachten muss, dass der zwanzig Jahre Ältere mehr Liegestützen schafft als er, der Neuling. Jahrelanger Kampf gegen den Bierbauch zahlt sich aus.

Zwei Stunden Laufen, Gymnastik, Zirkeltraining, Fußball. Den Ablauf hat vor 30 Jahren der Übungsleiter Meinolf Arnold eingeführt. Aber er und der neue Trainer Philipp Schwedes vergessen auch nie zu fragen, wer mit zur dritten Halbzeit ins „Zwergnase“ kommt.

Und spätestens da kommt die Ökumene ins Spiel. „Denn die begnadeten Körper sind mehr als ein Sportverein“, sagt der Vorsitzende Ernst-Willi Kaul. Da sitzen dann beim Kölsch Presbyter der Evangelischen Kirche neben Kirchenvorständen der katholischen Kirche. Da sitzen CDU-Mitglieder mit SPD-Mitgliedern zusammen. Der Grüne diskutiert mit dem von der Kleinstpartei Volt. Hier wird miteinander geredet, statt übereinander. Der Ingenieur mit dem Lehrer, der Schornsteinfeger mit dem Steuerberater. Der Bankkaufmann mit dem Bestatter oder dem Grafiker. 

Viele sind gesellschaftlich engagiert. In der Behindertenhilfe, im Chor, im Elternbeirat oder im Betriebsrat; bei der Kölner Tafeln und im Vorstand des AKV, des Alten- und Krankenpflegeverein Longerich. Mehrere haben Kinder adoptiert. „Ihr braucht einen Raum? Ich guck mal, ob in Christ König was frei ist.“ Man unterstützt sich gegenseitig und die Projekte den anderen. Man muss nicht die gleichen Positionen haben wie die Anderen, aber es wird zugehört. Kaul ist sich sicher: „So was hält die Gesellschaft zusammen.“ 

Es gibt regelmäßig Touren, die meistens etwas mit Sport zu tun haben. Mit dem Plattboot über das Ijsselmeer oder dem Kanu über die Lahn. Und bei den wöchentlichen Radtouren in den Sommerferien sind dann auch die Frauen dabei. Und Anne Dahm-Puchalla lacht und sagt ein wenig stolz: „Die sind doch gut in Form geblieben!“ Bei der großen Feier im Oktober ist sie auf jeden Fall dabei. Und bekommt dann mit, wer in diesem Jahr beim Aufbau der Krippe in Christ König helfen wird. 

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